Am 25. September 2024 fand im Jakob-Kaiser-Haus die 62. Sitzung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (AWZ) statt. Auf der Tagesordnung stand unter anderem die Entwicklungszusammenarbeit mit Myanmar. Dank der Initiative vom Abgeordneten Kevin Leiser (SPD) wurde auch German Solidarity Myanmar e.V. (GSM) zur Sitzung eingeladen, um mit den Ausschussmitgliedern über die Entwicklungszusammenarbeit in Myanmar zu sprechen. Innerhalb eines 45-minütigen Zeitfensters wurde die aktuelle Situation in Myanmar diskutiert, und unsere Vertreterin erhielt fünf Minuten Redezeit.
Hier das vollständige Statement.
- Kontext der Entwicklungszusammenarbeit in Myanmar
Seit dem Militärputsch im Februar 2021 hat sich das Leben der Menschen in Myanmar zutiefst verändert. Das zunehmend brutale und gesetzlose Vorgehen der Militärs angesichts des überraschend steten und erfolgreichen Widerstands der breiten Bevölkerung und bewaffneten oppositionellen Gruppen haben desaströse Verschlechterungen mit sich gebracht. Die Menschenrechte werden massiv verletzt, willkürliche Verhaftungen, Folter, Vergewaltigungen, Sippenhaft und völlige Willkür prägen den Alltag vieler Menschen. Vertreibung, hohe Arbeitslosigkeit und eine horrende Inflation haben viele Menschen in die Armut getrieben. 76% der Bevölkerung leben unter oder nahe am Existenzminimum. Besonders betroffen sind die mehr als 3 Millionen Binnenvertriebenen, die in Flüchtlingscamps und provisorischen Unterkünften leben müssen. Hinzu kommt eine grassierende Korruption. Seit Erlass des sog. NGO Gesetzes 2022 ist die Lage der Zivilgesellschaft noch prekärer geworden; die 2024 verkündete Wehrpflicht bedroht vor allem jüngere Menschen.
Bildungs- und Gesundheitssektor sind nach der Covid-Pandemie und aufgrund der Konflikteskalation seit 2021 besonders betroffen. Viele in diesen Bereichen Tätige waren und sind im CDM engagiert; viele sind in die sog. befreiten Gebiete geflohen. Ein Beispiel: 50% der in den letzten Jahren geborenen Kinder in Myanmar haben keine Grundimmunisierung, da Impfstoffe nicht zugänglich und zu teuer sind. In den Schulen fehlt Personal und Lehrmaterial, circa 50% der Kinder sind seit drei Jahren nicht in der Schule gewesen. Mittlerweile leben geschätzt 25% der Bevölkerung im Ausland. Sowohl in Indien wie in Thailand sind sie mit Problemen aufgrund ihres nicht vorhandenen legalen Status konfrontiert.
- Entwicklungszusammenarbeit in Myanmar heute
Außer Deutschland, das leider 2020 die direkte Entwicklungszusammenarbeit (EZ) einstellte, war die globale Entwicklungszusammenarbeit vor dem Militärputsch ausgebaut worden, mittlerweile erschweren die o.g. Situation und damit verbundene Fragen wie: Will man mit State Administration Council (SAC) zusammenarbeiten? Wie geht es ohne SAC? Wie transferiert man Geld? Wie kann Kommunikation funktionieren? Kann man Regularien der EZ anpassen? Sicherheit der Mitarbeitenden und der Zielgruppen? die Arbeit. Auch gibt es Kritik seitens der Zivilgesellschaft an internationalen Organisationen, welche mit SAC zusammenarbeiten oder/und kein adäquates Bild der Situation vor Ort hätten. Dennoch bleiben die meisten Organisationen arbeitsfähig, weil sie z.T. aus dem Ausland und online arbeiten und ihre Arbeit stärker lokalisieren als vorher. Lokalisierung bedeutet lokale Akteure und existierende Initiativen zu unterstützen. Erfahrungen belegen, dass gerade die einheimischen und gut vernetzten Organisationen und Gruppen kontextbezogen und sicherer arbeiten können. Organisationen vor Ort wie das National Unity Government (NUG), zivilgesellschaftliche Organisationen und Ethnic Resistance Organisations (ERO) in z.B. Karenni, Karen, Kachin und Sagaing, bauen eigene Verwaltungen auf. Ein Beispiel ist die föderale Universität im Kachin State (Hochschulpartnerschaft).
- Empfehlungen
– Internationale Akteure sollten gezielt lokale CSOs und EROs bei der Bereitstellung von Dienst-leistungen unterstützen. Die Förderung der Lokalisierung dient allen Menschen in Myanmar und stärkt eine kontextbezogene und damit nachhaltigere Unterstützung.
Organisation einer internationalen Geberkonferenz für Myanmar. Deutschland sollte zusammen mit Frankreich und der Europäischen Kommission eine Geberkonferenz nach dem Modell der “International Humanitarian Conference for Sudan and the Neighbouring Countries”organisieren. Die Idee der früheren UN-Sondergesandten eines Inclusive Humanitarian Forums unter Einbeziehung von NUG, EROs und CSOs kann dabei als Blaupause fungieren.
– Aufstockung der humanitären Hilfe via grenzüberschreitender Mechanismen und lokaler CSOs. Gegenwärtig brauchen 18.6 Millionen Menschen humanitäre Hilfe; jedoch sind laut UNHCR nur 20% der berechneten Finanzmittel verfügbar, damit ist Myanmar das unterfinanzierteste Land.
– Kompletter Exportstopp für Flugbenzin nach Myanmar, wie vom UN Human Rights Council gefordert.
– Um die Grundimmunisierung von Kindern auch in nicht von den Militärs beherrschten Gebieten durchführen zu können, sollte GAVI auch an Gruppen wie EROs und NUG Impfstoffe liefern.
– Weiterförderung des IIMM (International Investigative Mechanism for Myanmar), um die Straflosigkeit der massenhaften Gräueltaten zu beenden.